Voicebots – Eine rosarote Zukunft für den Kundendialog?

Attikus A. Schacht berät mit Schacht Consulting Serviceorganisationen beim Service Design, bei der Organisation und dem IT-Einsatz. Und Dr. Martin Schröder, einer der deutschen Pioniere der Sprachverarbeitung, stellt mit seinem Unternehmen Sympalog Voice Solutions seit über 20 Jahren Sprachdialogsysteme (Voicebots) her.

Jens Fuderholz von TBN Public Relations diskutiert mit den beiden Experten über technologische Entwicklungen, heutige und künftige Anwendungsfälle, und gleich zu Beginn klären sie, ob der KI- und Voicebot-Hype wirklich technologisch begründet ist.

 Jens Fuderholz: Herr Dr. Schröder, wie haben sich die grundlegenden Technologien hinter Voicebots in den letzten Jahren entwickelt? Sprachdialogsysteme gibt es ja schon seit den 90er Jahren. Ist es nicht im Grunde das Gleiche wie damals?

Dr. Martin Schröder: Die technischen Herausforderungen sind tatsächlich seit den 90er Jahren dieselben geblieben. Damals wie heute geht es darum, eine gesprochene Sprache zu erkennen, zu verstehen und darauf eine Antwort zu generieren. Die Technologien, die dabei zum Einsatz kommen, haben sich jedoch erheblich verändert. Früher basierte die Spracherkennung auf statistischen, den Hidden Markov Modellen, die in einem bestimmten Kontext funktionierten. Heute ist die Spracherkennung so leistungsfähig, dass sie kontextfrei arbeitet. Man kann frei sprechen, ohne sich an ein festgelegtes Schema halten zu müssen. Zudem gibt es inzwischen Spracherkenner, die auch multilingual funktionieren – etwas, das früher undenkbar war.

Jens Fuderholz: Welche technologischen Treiber haben diese Entwicklungen vorangetrieben? Ist es hauptsächlich die Künstliche Intelligenz?

Dr. Martin Schröder: Ja, das Deep Learning, basierend auf großen Datenmengen und leistungsfähiger Hardware, hat hier den entscheidenden Sprung ermöglicht. Durch das Internet stehen heute riesige Datenmengen elektronisch zur Verfügung, und die Entwicklung von Rechenzentren sowie spezialisierter Hardware, wie den Grafikprozessoren von Nvidia, hat es ermöglicht, diese Daten effizient zu verarbeiten. Das wäre früher gar nicht möglich gewesen.

Jens Fuderholz: Herr Schacht, wie sehen Sie diese Entwicklung? Haben diese technologischen Fortschritte Ihre Erwartungen übertroffen?

Attikus A. Schacht: Absolut. In den 90er Jahren habe ich während meines Studiums an neuronalen Netzen gearbeitet, und damals dauerte es Wochen, ein einfaches Modell zu trainieren. Heute könnte man das in wenigen Minuten erledigen. Das zeigt, wie weit wir gekommen sind. Der Fortschritt in der Rechenleistung und der Einsatz von vortrainierten Modellen haben einen enormen Unterschied gemacht. Diese Modelle werden auf leistungsfähigen Chips ausgeführt, die speziell für solche Aufgaben entwickelt wurden.

Jens Fuderholz: Sie haben erwähnt, dass die Spracherkennung einen großen Sprung gemacht hat. Aber wie sieht es mit dem Verstehen der Sprache aus? Hat sich da auch viel getan?

Dr. Martin Schröder: Definitiv. Die Spracherkennung hat sich verbessert, aber das wirkliche Verständnis der Sprache, also das Erkennen der Bedeutung hinter den Worten, hat den größeren Fortschritt gemacht. Früher musste man komplizierte Regeln definieren, um bestimmte Phrasen zu erkennen. Heute übernehmen vortrainierte KI-Modelle diese Aufgabe und können den Kern einer Aussage mit nur wenigen Äußerungen erfassen.

Jens Fuderholz: Und diese Fortschritte beim Verstehen, beeinflussen die auch andere Systeme, wie zum Beispiel Chatbots?

Dr. Martin Schröder: Ja, genau. Das ist der Grund, warum Chatbots in den letzten Jahren so stark an Bedeutung gewonnen haben. Die Verstehenskomponente hat sich so weit verbessert, dass es heute viel einfacher ist, diese Systeme zu pflegen und zu nutzen. Vor zehn Jahren gab es kaum funktionierende Chatbots, und heute sind sie allgegenwärtig.

Attikus A. Schacht: Was ich daran spannend finde, ist, dass diese Entwicklung sich nicht nur auf neue Anwendungen wie Voicebots und Chatbots beschränkt. Schon vor Jahrzehnten gab es Spracherkennungssysteme, etwa in der Medizin oder im juristischen Bereich, die erstaunlich gut funktionierten. Aber erst durch die heutigen Fortschritte in der KI können wir das volle Potenzial dieser Technologie ausschöpfen.

Jens Fuderholz: Das klingt nach einem faszinierenden technologischen Fortschritt. Gibt es noch andere Bereiche, in denen diese Entwicklungen genutzt werden?

Dr. Martin Schröder: Auf jeden Fall. Der Fortschritt beim Verstehen von Sprache hat beispielsweise auch dazu geführt, dass wir heute weit mehr automatisieren können als früher. Die Technologie ermöglicht es uns, Sprachsysteme in vielen unterschiedlichen Bereichen zu implementieren und dabei eine höhere Effizienz zu erzielen. Doch die Integration in bestehende Systeme ist oft noch eine Herausforderung, die es zu meistern gilt.

Jens Fuderholz: Herr Schacht, Sie haben erwähnt, dass Voicebots in Unternehmen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Was sind die Hauptgründe dafür?

Attikus A. Schacht: Die Gründe liegen vor allem in der aktuellen Marktsituation. Viele Unternehmen haben Schwierigkeiten, genügend qualifiziertes Personal zu finden, um ihren Kundenservice auf dem gewünschten Niveau zu halten. Voicebots bieten hier eine Lösung, indem sie rund um die Uhr verfügbar sind und einfache, aber zeitintensive Aufgaben übernehmen können. Dadurch werden die Mitarbeiter entlastet und können sich auf komplexere Kundenanfragen konzentrieren. Außerdem erwarten Kunden heutzutage schnelle und direkte Antworten – Voicebots erfüllen diese Erwartungen effizient.

Jens Fuderholz: In welchen Bereichen sehen Sie den größten Nutzen von Voicebots?

Attikus A. Schacht: Der größte Nutzen liegt in der Automatisierung von Standardprozessen. Ein gutes Beispiel ist die Bearbeitung einfacher Anfragen wie Adressänderungen oder Passwortzurücksetzungen. Solche Aufgaben sind repetitiv und nehmen viel Zeit in Anspruch, aber sie lassen sich gut automatisieren. Durch den Einsatz von Voicebots können Unternehmen die Bearbeitungszeit verkürzen und gleichzeitig die Kundenzufriedenheit erhöhen, da die Anfragen sofort bearbeitet werden.

Jens Fuderholz: Gibt es Bedenken, dass der Einsatz von Voicebots auf Kosten der Kundenzufriedenheit gehen könnte?

Attikus A. Schacht: Das hängt davon ab, wie der Voicebot eingesetzt wird. Wenn er lediglich als Ersatz für menschliche Mitarbeiter betrachtet wird, kann es tatsächlich zu Frustration führen, insbesondere wenn komplexe Anliegen nicht gelöst werden können. Erfolgreiche Unternehmen nutzen Voicebots jedoch gezielt als Ergänzung zu ihrem bestehenden Kundenservice. Der Voicebot übernimmt die einfachen, zeitraubenden Aufgaben, während die Mitarbeiter sich auf die anspruchsvolleren Anfragen konzentrieren. Entscheidend ist, dass Kunden immer die Möglichkeit haben, zu einem menschlichen Ansprechpartner weitergeleitet zu werden, wenn der Voicebot nicht weiterhelfen kann.

Jens Fuderholz: Was sollten Unternehmen beachten, wenn sie überlegen, Voicebots in ihren Service zu integrieren?

Attikus A. Schacht: Unternehmen sollten sich zunächst klar darüber werden, welche Prozesse sich für eine Automatisierung eignen und welche nicht. Es ist wichtig, dass der Voicebot sinnvoll in die bestehende Service-Struktur integriert wird und dass seine Einführung von einer klaren Strategie begleitet wird. Darüber hinaus sollte der Voicebot kontinuierlich überwacht und optimiert werden, um sicherzustellen, dass er den Kundenservice tatsächlich verbessert und nicht verschlechtert.

Dr. Martin Schröder: Richtig. Unternehmen sollten die Einführung eines Voicebots nicht als einmalige Aktion betrachten. Die Technologie entwickelt sich weiter, und Unternehmen müssen bereit sein, den Voicebot ständig an neue Herausforderungen anzupassen. Nur so bietet die Technologie auch langfristig einen strategischen Vorteil.

Im zweiten Teil des Interviews geht es um die Zukunft – bei Technologien und der Anwendung im Kundenservice. Und es geht um Qualitätsmanagement und die besonderen Herausforderungen von Voicebots.

Die Fortsetzung des Interviews lesen Sie auf schacht-consulting.de